Männermasche | www.diesteirerin.at

2023-02-15 16:14:14 By : Mr. Jennifer Chen

Entgegen stereo­typisierten Gendernormen greift ein Grazer Berufssoldat zur Häkelnadel und inspiriert zum „Malecrochet“. Handfeste Woll­arbeit für echte Kerle!

Es scheint die letzte Bastion der Frau zu sein, und doch war es seit jeher das Handwerk des Mannes. Jenes des Schäfers, um genau zu sein, der während des Hütens seiner Schafe die Wolle zu warmen Socken und mehr verarbeitete. Die Rede ist vom Stricken und Häkeln. Heute gilt das Maleknitting bzw. Malecrochet wohl mehr als kontroverses Statement zur Heteronormativität und befindet sich damit außerhalb des Systems unserer Rollenverteilung. Noch immer. Dabei haben es Männer schon immer getan, die Handarbeit mit Wolle. Schäfer und ja, sogar Soldaten. Als praktischen Zeitvertreib und notwendiges Schaffen von warmer Kleidung. Sogar Carl Spitzweg hat dem „Strickenden Vorposten“ Mitte des 19. Jahrhunderts gleich mehrere biedermeierliche Bilder gewidmet. Apropos Soldaten: Auch der Grazer Berufssoldat Falke G. ist genau so einer und häkelt sich unter seiner Selfmade-Marke „Herr Wolle“ (Instagram @Herr.Wolle) leidenschaftlich dem heutigen Patriarchat entgegen. Männerrolle, Frauenrolle? Wa­rum noch Unterschiede machen!

Dass das Häkeln, das er sich vor zwei Jahren via YouTube-Tutorials selbst beigebracht hat, sehr wohl Manneskraft bedarf, erklärt der Grazer so: „Anfangs ist die Handarbeit alles andere als entspannend. Es braucht recht viel Geduld und Geschick, bis es gelingt.“ Noch dazu sei das Material weich und die Arbeit filigran – ganz zum Unterschied der sonst handwerklichen Arbeiten vieler Männer. Den Anstoß hat ihm damals seine Tochter gegeben, als er nach einer erneuten Sportverletzung einen neuen Zeitvertreib für zu Hause suchte. Aus diesem autodidakten Hobby sind mittlerweile bis zu acht Projekte pro Monat geworden: jede Menge Stofftiere, sogenannte Amigurumis, Hauben, Schals und Pölster. Jahreszeitenbezogen, abhängig von den Wünschen seiner beiden Kinder und abends nach Dienstschluss, wenn die Kinder schlafen, gemütlich auf der Couch bei einem guten Hörbuch häkelnd. „Ein absolutes Mammutprojekt war ein doppelseitiger Harry-Potter-Polster mit einem Muster aus Popcornmaschen“, so „Herr Wolle“. Vor allem mit seinen eigenen Häkelkreationen bereichert Falke G. die stetig wachsende Woll-Community im Web: „Da viele Gleichgesinnte nach meinen Häkelanleitungen fragen, schreibe ich meine neuen Versuche gleich nieder und verkaufe die Anleitungen auf Etsy.“

Häkeln und Stricken ist männlich. Maleknitting gelingt, wenn alte Geschlechterstereotypen abgelegt werden „und man(n) über den Tellerrand blickt“, so „Herr Wolle“. Dann sei das Handwerk mit Wolle durchaus eine schöne und vor allem praktische Bereicherung. Als Soldat in einer typisch rauen Männerdomäne, in der sich der Grazer immer zu Hause gefühlt habe, war die Umstellung auf eine filigrane Arbeit mit weichem Material wie Wolle eine Herausforderung. Zunächst für den Kopf, dann für die Hände. Heute gibt es dafür selbst auf seiner Arbeit positiven Zuspruch und leuchtende Augen, wenn Kinder wie Erwachsene eines seiner Werke bekommen. Von der anfänglich festen Masche ist der leidenschaftliche Handarbeiter heute beim tunesischen Häkeln angekommen. „Es gibt noch unterschiedlichste Techniken zu erforschen und in meine Projekte einzubinden, wie etwa das Verarbeiten und Färben von Wolle. Das möchte ich unbedingt noch ausprobieren.“

Häkeln als Antwort auf Genderfrage. In Chile und anderen südamerikanischen Ländern häkeln etwa die „Hombres Tejedores“ gegen Geschlechterstereotypen an – Aktivisten, die in Gruppen in Parks oder Museen gegen überholte Geschlechter­stereotypen ihrer MitbürgerInnen anstricken und -häkeln. Der gleiche Impetus hat den südafrikanischen Künstler Mark Rautenbach inspiriert. Er zerschnitt für sein Kunstprojekt alte Schulbücher aus der Zeit der Apartheid, wickelte die Papierstreifen zu Knäueln und setzte sich damit strickend in Kapstadt und Johannesburg. Das kontroverse Bild eines augenscheinlich harten Mannes mit Tattoos, der sich mit feingliedriger Arbeit einer Frau beschäftigt, zieht Blicke auf sich. So ist das auch beim Grazer Soldat Falke G., der seine Arbeit via Instagramprofil „Herr Wolle“ präsentiert und eine subtile Botschaft hat: „Man(n) darf offen für Neues sein, auch abseits des Klischees.“ Wollkreateure also, die Gespräche über Genderfragen, Diversität sowie Gleichberechtigung auslösen und als Zeichen des Umbruchs viele schöne Wohn- und Modeaccessoires hervorbringen. Mögen wir!

„Albert“ ist die Lieblingskreation unter den gehäkelten Stofftieren. © @Herr.Wolle

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